Alt und Jung singen Hand in Hand - viele persönliche Kontakte

 

Seit Bestehen der Marktkirche und der Kantorei vor 125 Jahren haben hier zahlreiche musikalische Veranstaltungen stattgefunden und dem Namen „Musik- Kirche“ alle Ehre gemacht. Die innere Struktur des Chores, das (Zusammen-)Wachsen, hat jedoch erst eine lange Zeit der Entwicklung gebraucht und ist auch heute noch Wandlungen unterzogen.

 

Noch bis vor fünfzehn Jahren war es üblich, dass man einmal wöchentlich die Chorprobe besuchte und danach wieder seiner Wege ging. Zwischen den einzelnen Stimmlagen war kaum Verbindung, es gab keinen vorgegebenen Rahmen für die Aufnahme privater Kontakte.

 

Der Beginn der "Chor-Projekte", gegründet als Chorgemeinschaft unter der Leitung von Günter Gruschwitz, seit zwei Jahren unter dem Namen "Neuwieder Konzertchor", geleitet von Thomas Schmidt, zu denen Sängerinnen und Sänger aller Gemeinden in und um Neuwied eingeladen werden, für eine bestimmte Zeit ein größeres Werk einzustudieren, hatte den schönen "Nebeneffekt", dass viele Sänger von der konstruktiven Arbeit besonders mit Herrn Schmidt angezogen wurden und in der Kantorei blieben. Das Problem war nur, dass der Anteil der "Neuen" bzw. Un-Bekannten im Vergleich zu den "alten Hasen" plötzlich überwog. 

 

Die darauf eingehenden Überlegungen des Chorrates führten zu dem Schluss, bereits bestehende Institutionen als Möglichkeit der Begegnung stärker wahrzunehmen. Als Beispiele seien der "Après Chœur" genannt, der von den Geburtstagskindern des letzten Vierteljahres mit kulinarischen Leckerbissen bereichert wird, sowie das Grillfest im Sommer, das bei schönem Wetter im Innenhof der Marktkirche die Sommerpause einläutet. Neu kam hinzu, sich einmal im Monat nach der Probe im Café der Marktkirche zusammenzufinden, um ins Gespräch zu kommen und sich dadurch besser kennenzulernen. Zur Tradition ist auch ein jährlich stattfindender gemeinsamer Opernbesuch geworden (z.B. Koblenz, Köln, Wiesbaden). Selbstverständlich gibt es auch eine Advents- und Weihnachtsfeier mit Gesang, lukullischem Genuss und kulturellen Einlagen aller Beteiligten.

 

Unsere Jubilare werden am Sonntag Cantate („Singet!“) für ihre langjährige Treue zur Kantorei oder für das Engagement seit Beginn ihres chorischen Singens geehrt. Auch die intensiven Proben an den Chorsamstagen, die von den Chorwochenenden vergangener Tage (Kloster Helgoland, Kloster Himmerod, Forum Palotti) übrig geblieben sind, tragen wesentlich zur Festigung des Zusammengehörigkeitsgefühles bei.

 

In Gesprächen wurde auch deutlich, wie unterschiedlich die Motivation ist, in einem Kirchenchor zu singen. An erster Stelle steht natürlich das Singen oder besser: das "Selber- Musikmachen-Wollen-gemeinsam-mit-anderen". Viele von uns sehen das Singen im Gottesdienst als eine sehr persönliche Form von Gottes-Dienst und Verkündigung an. Für einige ist es eine Wohltat, das im Beruf gewohnte Steuer einfach einmal aus der Hand geben zu können und es einem anderen - dem Kantor - zu überlassen. Das konzentrierte Proben an einem auch etwas anspruchsvolleren Musikstück geht oft mit einer Art von Konzentration und innerer Sammlung einher, die für die Zeit der Probe und darüber hinaus die Dinge des Alltages vergessen oder zumindest in den Hintergrund treten lässt. Aber auch so etwas "Profanes" wie den Chor als eine Kontaktmöglichkeit zu nutzen, wenn man neu in der Stadt ist, kann eine Motivation sein.

 

In der Kantorei begegnen sich mehrere Generationen; innerhalb, weil hier ältere und jüngere Menschen miteinander arbeiten und im Austausch stehen, und nach außen, indem wir den im Altenheim der Marktkirche lebenden Menschen zweimal jährlich mit unserem Gesang eine Freude bereiten.

 

Es zeigt sich, dass alle genannten Aktivitäten bereits Früchte tragen ... 

 

Ein herausragendes Erlebnis war für den Chor die Konzert-Tournee nach Bensberg und zum Altenberger Dom im September 2008 mit MISSA BREVIS des einem zeitgenössischen Komponisten Michael Villmow. Bereits im Juni 2007 durften wir dieses Werk für Chor, Saxophon und Violoncello in der Marktkirche uraufführen. Der gute Kontakt zwischen den Sängern, das gegenseitige Strahlen, sorgte - natürlich auch durch die sehr gute Qualität des Gesangs - für eine anrührende Ausstrahlung nicht nur auf die Zuhörer, sondern auch auf die Musizierenden.

 

Die Kantorei der Marktkirche hat sich in den vergangenen Jahren nach außen hin geöffnet und hat dennoch ihre Identität behalten können und sogar gestärkt. Die weitere Entwicklung ist nicht abzusehen, auf jeden Fall ist es ein spannender Prozess am Puls der Zeit. Hier mitzuwirken, sich selbst einbringen zu können und zur Vielfarbigkeit der Palette des Chores beizutragen, ist etwas sehr Schönes und Zeitgemäßes. 

 

Marita Hoffmann-Brand, Ingeborg Martin, Inge Nicolai, Lieselotte Probst

Abdruck der Grafik mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin Beate Heinen