Predigt zu Jesaja 5, 1-7 (Weinberglied) zum Sonntag Reminiscere 2021

Liebe Gemeinde,


schon seit Anfang des Jahres sieht man sie wieder in ihren Weinbergen arbeiten, die Winzer und Winzerinnen, in Leutesdorf und anderswo. Mit ihren speziellen Scheren gehen sie im steilen Weinberg von Weinstock zu Weinstock, um überflüssiges Rebholz zurückzuschneiden. Eine kräfte-zehrende Handarbeit, die meist mehre Wochen dauert. Und wer nicht geübt ist, dem verursacht es schnell Schmerzen im Handgelenk. Dieser Rebschnitt zu Beginn des Jahres ist äußerst wichtig, er bringt die wildwachsenden Triebe der Rebe in eine Ordnung und in ein Gleichgewicht von Wachstum, Ertrag und Qualität. Und dabei muss man sehr vorsichtig mit dem Weinstock umgehen und sich jedem einzelnen zuwenden. Statistisch gesehen wird jede Rebe 17mal im Jahr besucht. Die Arbeit im Weinberg ist also intensiv und Knochenarbeit.
Sie beginnt im Januar und sie endet erst wenn vielleicht der Eiswein gelesen ist nach dem ersten Frost im Spätherbst:
Diese intensive Zuwendung ist die Voraussetzung für gute Trauben und natürlich für noch einen besseren Wein. Aber bei aller Sorgfalt bleiben trotzdem viele Unwägbarkeiten: Wenn etwa die Sonne die Trauben verbrennt oder zu viel Regen sie verschimmeln lässt, wenn Dürreperioden den Boden vollkommen austrocknen oder Frost und Schädlinge dem Weinberg zusetzen, dann kann die ganze Arbeit eines Jahres mit einem Mal zunichte sein.
Von den Winzern kann man da durchaus den langen Atem lernen. Für sie ist ein schlechter Jahrgang noch lange kein Grund aufzugeben. Ganz selbstverständlich beginnt für sie mit dem Rebschnitt am Anfang des Jahres immer wieder neu ihr Bemühen um den Weinberg.
In der Bibel, liebe Gemeinde, ist der Weinberg also ein Sinnbild für innige Beziehungen. Schon im alten Israel galt der Weinberg als eine fordernde Herzensangelegenheit und er war das Sinnbild für Menschen und ihre innigen Beziehungen. Im hohen Lied Salomons wird der Weinberg als der Ort bezeichnet, an dem sich die Liebenden treffen und immer, wenn vom Weinberg in der Bibel die Rede ist, schwingt dieser innige Ton mit.
Der Weinberg gilt in der Bibel aber auch als Symbol für den Wohlstand. Wer einen Weinberg besaß, galt als reich, Der Weinberg ist aber auch ein Synonym für friedliche Zeiten. So kündigt der Prophet Micha in seiner berühmten Vision an: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wieder das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und dem Feigenbaum wohnen und niemand wird sie schrecken“.
Was für eine Aussicht, liebe Gemeinde! Im Weinberg sitzen und das Leben genießen. Rankendes Weinlaub, eine gesellige Runde und das Glas in der Hand, so stellt man sich ein schönes, ein entspanntes, ja ein paradiesisches Leben vor. Was für eine wunderbare Idylle. Ich erinnere mich, als ich in meinen Studentenzeiten schon mal bei der Weinlese geholfen habe. Da war das so ähnlich. Am Mittag, wenn die Trauben geerntet waren, dann saßen alle, Winzer und Helfer bei strahlendem Sonnenschein um einen großen Holztisch mitten im Weinberg beisammen und der Tisch war gedeckt, Salate, Brot und Trauben. Wasser und Wein. Es war eine ganz besondere Atmosphäre. Ein wunderschönes Fest mitten im Weinberg.
Solche Bilder hatten wohl auch die Menschen vor Augen als das Weinberglied im Buch des Propheten Jesaja entstand. Es gilt als poetisches Glanzstück in der Bibel. So meisterhaft ist es erdacht, dass es aus einer Blütezeit der Dichtkunst kommen muss. Zunächst beginnt es wie ein orientalisches Liebeslied. Es erzählt von der besonderen Beziehung eines Weinbergsbesitzers zu seinem Weinberg. Lieblich ja schon fast zärtlich beginnt es voller Zuneigung.  Aber dann wechselt nicht nur der Ton, sondern auch der Sänger. Dissonanzen und schräge Töne steigern sich zu einem Riesenkrach zu einem wutentbrannten Zornausbruch und das Ende dieses Lied hat es in sich. Aber hören wir hinein in das Weinbergslied des Propheten Jesaja

 

Das Lied vom unfruchtbaren Weinberg
5 1Ein Lied von meinem Freund will ich euch singen. Es ist das Lied von meinem Freund und seinem Weinberg: Mein Freund hatte einen Weinberg auf einem fruchtbaren Hügel.

2Er grub ihn um, entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den besten Weinstöcken. Mittendrin baute er einen Wachturm. Auch eine Kelter zum Pressen der Trauben hob er aus. Dann wartete er auf eine gute Traubenernte, aber der Weinberg brachte nur schlechte Beeren hervor.
3Jetzt urteilt selbst, ihr Einwohner von Jerusalem und ihr Leute von Juda! Wer ist im Recht – ich oder mein Weinberg? 4Habe ich irgendetwas vergessen? Was hätte ich für meinen Weinberg noch tun sollen? Ich konnte doch erwarten, dass er gute Trauben trägt. Warum hat er nur schlechte Beeren hervorgebracht?
5Ich will euch sagen, was ich mit meinem Weinberg tun werde: Die Hecke um ihn herum werde ich entfernen und seine Schutzmauer niederreißen. Dann werden die Tiere ihn kahl fressen und zertrampeln.

6Ich werde ihn völlig verwildern lassen: Die Reben werden nicht mehr beschnitten und der Boden nicht mehr gehackt. Dornen und Disteln werden ihn überwuchern. Den Wolken werde ich verbieten, ihn mit Regen zu bewässern.
7Wer ist dieser Weinberg? Der Weinberg des Herrn Zebaot, das sind die Bewohner von Israel. Die Leute von Juda, sie sind sein Lieblingsgarten. Der Herr wartete auf Rechtsspruch, doch seht her, da war Rechtsbruch. Er wartete auf Gerechtigkeit, doch hört nur, wie der Rechtlose schreit.

(Übersetzung aus der Basisbibel)

                         
Das Weinberglied des Jesaja erinnert an ein großes Orchesterwerk. Da beginnt einer ein Liebelied zu singen  über die wunderbare Beziehung zwischen einem Weinberg -besitzer und seinem Weinberg Man sieht ihn gerade zu, wie er voller Stolz in seinem Weinberg von Rebe zu Rebe geht und sich von Herzen daran freut. Doch dann wechselt das Lied in einen Arbeitsbericht. Es wird besungen, was der Weingärtner alles an Mühe und Arbeit in diesen Weinberg hineingesteckt hat. Er hat ihn umgegraben, entsteint, er hat eine Mauer, einen Turm und eine Traubenpresse gebaut, um dann mit Geduld zu warten, dass sich gute Trauben entwickeln. Es ist wie im richtigen Leben, jede Beziehung, jede Liebe will kultiviert, will bearbeitet und gepflegt werden. Die Verbindung, die wir zu anderen haben ist kein Selbstläufer. Oft merken wir das erst zu spät. Der Weinbergsbesitzer hat sein möglichst getan und man könnte meinen, dass er nun auch ernten kann, was er gesät hat. Aber dann kommt der Paukenschlag: Nichts als schlechte Trauben. Enttäuschung und blinde Wut folgen darauf..
Wer kennt das nicht, liebe Gemeinde, von uns, solche Gefühle, wenn Dinge nicht so laufen, wie wir uns das vorgestellt haben, wenn wir enttäuscht sind, wenn jemand nicht Wort gehalten hat, wenn ich mich auf eine Absprache nicht verlassen kann.
Wir kennen das: Kleine und große Enttäuschungen prägen unseren Alltag, und manche von uns reagieren darauf cholerisch andere melancholisch. Der Weinbergsbesitzer in unserem Lied, er ist außer sich. Und er macht seinem ganzen Ärger Luft, und so möchte er dem Weinberg dem Erdboden gleichmachen Alles einreißen, zertreten und alles brach liegen lassen. Sogar die Wolken sollen nicht mehr auf den Weinberg regnen. Ja wenn man enttäuscht ist, dann kann man solche Wut haben und es kann eine Weile dauern bis man sich wieder beruhigt hat.
Aber dann kommt das Überraschende bei Jesaja. Er spricht nicht von einem Menschen. Der Weinbergsbesitzer, so löst Jesaja es in der letzten Strophe des Liedes auf: ist Gott selbst Und dieser Gott singt ein zorniges Klagelied über seine Menschen, die er liebt, die er gehegt und gepflegt hat wie ein Winzer seinen Weinstock
Es scheint als spiegele dieses Lied eine Beziehungskrise zwischen Gott und den Menschen wider. Kann man sich das vorstellen? Gott wütend und zutiefst zornig, weil die Menschen, weil wir, Unrecht und Bosheit leben und zulassen, Gott ist zornig ,weil wir, um mit dem Lied zu sprechen, keine guten Früchte bringen, weil wir die Welt und einander unterdrücken und ausbeuten und nur unseren eigenen Vorteil suchen
Kann das sein  - ein zorniger Gott? Und hatte Martin Luther nicht mit dem zürnenden und strafenden Gott gerungen und dabei den gnädigen Gott gefunden. Den Gott, an denich mit allen Problemen meines Lebens wenden kann und der mir dann verlässlich zuhört
Ja, an diesen Gott darf ich mich wenden, bei ihm ist die Adresse bei der ich gehört werde - aber genau von dort werde ich auch gefragt: Was tust du und wie lebst du deine Beziehung zu Gott? Wie gehst du mit anderen um, bist du offen für Neues und trägst du durch dein Verhalten dazu bei das gerechte Lebensverhältnisse für alle Menschen Wirklichkeit werden?  Förderst du in deinem Umfeld Gerechtigkeit und den Frieden? Merken wir!  Unser Verhältnis zu Gott ist keine Einbahnstraße, wir werden nicht nur beschenkt, sondern das Geschenk ist auch eine Verpflichtung. Die Beziehung zu Gott erfordert echte Arbeit und das deckt sich mit dem, was das Weinberglied auf seine Weise mit den guten Früchten ausdrückt. Beziehungen brauchen Nährstoffe, auch meine Beziehung zu Gott, sie will beackert werden, sie muss sich entwickeln, sie will gehegt und gepflegt werden, so wie umgekehrt Gott uns, seinen Weinberg pflegt und hegt und das schon immer. Und es braucht Zeit. Glaube geht nicht schnell und billig aber es lohnt sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Für diese Beziehung braucht es übrigens auch immer wieder besondere Zeiten und Orte. Es braucht besondere Zeiten sowie jetzt die Passions- und Fastenzeit, es braucht besondere Orte, um sich im Glauben einzuüben vielleicht können wir das in den Wochen vor Ostern wieder einüben, so das Neues in uns wächst und gedeiht Und ich bin mir sicher, in der Verbindung mit Gott werden wir dann über manche Früchte staunen. Amen.


Kanzelrede vom 11. Oktober 2020

In seiner Kanzelrede vom 11. Oktober 2020 sprach Uwe Selzer über das Thema "Liebe deinen Nächsten als dich selbst".

 

Hier können Sie sich die Rede anhören:

 


Andacht zum Monatsspruch       August 2020

Ein Mensch dankt für sich selber. Das dürfte heute eher selten der Fall sein. Menschen erbitten von Gott viel - aber ob sie ihm auch in dem Maße danken, wie sie ihn bitten. Wir lassen das jetzt mal dahingestellt, dürfen aber vermuten, dass man eher wenig dankt, dass man wunderbar gemacht ist. Das Seufzen über die eigene Körperlichkeit scheint höher. Die Unzufriedenheit mit dem, wie man gemacht ist, dürfte größer sein. Sonst würden nicht, wie man lesen kann, immer mehr Menschen den Bau ihres Körpers mithilfe von Chirurgen etwas nachhelfen. Manche leiden richtig unter ihrem Aussehen unter ihrem “so gemacht sein“. Wir sollten das nicht verurteilen, denn hinter alledem verbirgt sich ja auch ein Wertgefühl.


Der Beter des Psalms hat damit offensichtlich kein Problem mit dem, wie er gemacht ist. Er tritt vor seinen Gott und dankt, als stünde er vor einem Spiegel und dankt Gott für sich, für das Werk, das Gott an ihm getan hat und für die Werke Gottes überhaupt. Wenn ich schon ein Wunder bin, so klingt es in dem Satz durch, wie groß sind dann deine Wunder erst überall in der Welt.


Wer danken kann, lebt leichter, weniger verhärtet. Wenn dieser Mensch nach seinem Gebet wieder in seinen Alltag tritt, dürfte er frische Kräfte haben. Kräfte, die aus seiner Dankbarkeit kommen. Wer nur bitten kann, wir eher kraftlos. Wer das danken nicht vergisst, schafft sich Kräfte. Kräfte, die Gott ihm schenkt. Gott erfreuen besonders die Dankbaren, weil die nicht vergessen, sondern weil sie vor ihn treten und sagen: Ich danke dir Gott, dass ich wunderbar gemacht bin.

 

Amen


Andacht zum Monatsspruch Juli 2020

Der Prophet Elia ist am Ende seiner Kräfte angelangt. Er ist in die Wüste geflüchtet. Und vor ihm liegt der Berg Horeb. Müde ist der Prophet und kraftlos. Mit den Baals Priestern hat er sich einen blutigen Kampf geliefert und seine Todfeindin, die Königin Isebel, trachtet ihm nach dem Leben.
In einer Höhle am Gottesberg bricht er zusammen und aus ihm heraus bricht all seine Sorge, sein Leid und sein Schmerz. „Alle haben mich verlassen“, klagt er, „meine Feinde sind hinter mir her und ich bin ihnen schutzlos ausgeliefert“. Am liebsten würde der Gottesmann Elia sterben. Unter einem Wacholderstrauch findet er die nötige Ruhe. Was für ein ungewöhnlicher Ort.
Hier schläft Elia ein, kommt ins Träumen und es zeigt sich, wonach er sich im Tiefsten sehnt: Nach Schutz, nach Stärkung und Heil. Er zweifelt an sich selbst und hat nur noch eine Frage: Wie soll es weitergehen?


„Und siehe ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm steh auf und iss!“
Essen hält Leib und Seele zusammen, sagen wir. Elia, der es wahrlich satthat, soll satt werden, Brot des Lebens, Lebensbrot, Nahrung für Leib und Seele. Innere Stärkung. Für Elia, der solange unterwegs war, war das bestimmt eine richtige Mahlzeit, die ihm guttat.
Und was tut uns gut oder was brauchen wir? Vielleicht einfach mal rauslassen, was wir satthaben. Bei anderen kann das die Familie sein, die stärkt und Zusammenhalt schenkt. Oder ein Gottesdienst, die Predigt, ein Lied, das unter die Haut geht. Was ist solches Lebensbrot für mich?
Vielleicht sollten wir uns auch einmal in eine Höhle begeben, an einen Ort der Stille, um eine Antwort zu finden, gerade in den jetzt beginnenden Ferien.
Manchmal braucht es einen Engel, himmlische Boten, die einem einen Anstoß geben. Schau mal genauer hin, das kann dir helfen und dir neue Kraft schenken. Etwas, das die bedrohlichen Geister vertreibt, die meinen Geist gefangen halten.


Egal wie es dir geht, wenn dir jegliche Kraft fehlt, Gott schenkt dir neue Kraft. Und dann geht Elia wieder los, weil er noch einen weiten Weg vor sich hat. und weil sein Leben noch nicht zu Ende ist. Aber wohin? Was hat Gott mit ihm vor? Wie sieht sein Plan aus? Und wo spüre ich und begegne ich Gott?
Nach dem Feuer kam ein stilles sanftes Sausen, heißt es in den folgenden Versen. Kein lauter und fordernder Gott, tritt ihm gegenüber, sondern ein stiller und sanfter, kaum vernehmbar oder doch? Ein stilles, sanftes Sausen. Was für ein kraftvolles Bild. Die Stille als heilsame Erfahrung der Begegnung mit Gott. Ich wünsche Ihnen und mir, in den nächsten Wochen, den Mut und die Kraft für solche stillen Momente, um Gottes Stimme wahrzunehmen.

 

Amen


Andacht zum Monatsspruch Juni 2020

Wer kann schon in das Herz eines Menschen schauen? Wir nicht! Denn was im Herzen eines Menschen vor sich geht, das kann man nur erahnen, wenn es ausgesprochen wird.

Wir kennen Menschen mit verschlossenen Herzen. Nur selten tragen solche Menschen ihr Herz auf der Zunge. Sie behalten lieber ihre Sorgen für sich, auch ihren Kummer und ihre Ängste. Wer will schon nach außen hin als schwach oder wehleidig gelten.
Aber auch Träume, Vorfreude und Glück bewahren solche Menschen tief in ihrem Herzen. Man weiß ja nie, welche Neider oder auch missgünstigen Zeitgenossen das hören. Das alte Volksgut weiß ein Lied davon zu singen, dass es besser ist, das Herz und die Gedanken für sich zu behalten. „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten....“


Verschlossen sind Herzen aber nicht nur, damit nichts aus ihnen herausdringt, sondern damit auch nichts in sie hineindringt. So werden Herzen kalt.
Ein Herz das kalt ist, lässt die Sorgen, den Kummer oder auch die Ängste der Anderen nicht gerne an sich heran. Wir haben ja auch oft genug Eigenes, das uns beschäftigt.
Und vom Glück oder der Freude der Anderen möchten wir auch lieber nichts hören. Es könnte ja wehtun, wenn wir anfangen deren Lebensglück mit unserem zu vergleichen Wenn aber der eine sein Herz nicht ausschütten will, der andere aber genauso wenig sein Herz öffnen will, dann bleibt nur Herzenskälte.
„Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder“ das ist ein Satz aus einem Gebet des König Salomos, als er den ersten großen Tempel in Jerusalem einweiht. Salomo bittet nämlich Gott darum, die Gebete all der Menschen zu hören, die in Notlagen, mit ihren Zweifeln und Fragen oder auch in ihren glücklichen Zeiten in den Tempel kommen und er vertraut darauf, dass Gott das kann und er kleidet sein Vertrauen in diese eindrücklichen Worte.
Salomo weiß, das was von einem Menschen sichtbar ist, das kann täuschen. Und wie es im Inneren aussieht, kann kein Außenstehender wirklich erkennen und durchschauen. Aber wenn Gott einen Menschen sieht und ihn beurteilt, dann spielt das äußere Tun und Lassen keine Rolle, sondern vor allem das, was an Gedanken und Motiven dahinter zu erkennen ist und das erkennt Gott, denn er allein kennt das Herz aller Menschen.


Vielleicht beunruhigt uns das ja, dass wir vor Gott wie ein offenes Buch daliegen und gerne würden wir manchmal nicht nur vor den Menschen, sondern auch vor Gott verheimlichen, was uns im Innersten unseres Herzens bewegt und umtreibt. Es ist nicht unbedingt immer angenehm zu wissen: Gott weiß, was ich denke und was ich fühle. Aber wenn es uns gelingt ehrlich zu sein und uns an diesen Gedanken zu gewöhnen, dann geschieht etwas, was unser Herz öffnen kann: Dann verschwindet die Scham und Ehrlichkeit darf einziehen, dann vergeht Angst und Vertrauen entsteht, dann wird Verschweigen unnötig und Offenheit möglich. Deshalb ist es für uns alle gut zu wissen, dass Gott unsere Herzen so gut kennt, denn damit können auch wir uns verändern.

 

Amen


Andacht zum Monatsspruch Mai 2020

Manchmal muss uns jemand sagen, wo es lang geht, wie wir so schön sagen. In welche Richtung wir denken und vielleicht auch handeln müssen. Das war bei den ersten Christen ähnlich. Bei ihnen kam noch dazu, dass es etwa 70 Jahre nach Jesu Auferstehung auch noch keine christlichen Handbücher gegeben hat. Eine christliche Lehre war noch nicht in Sicht. Wenige Gemeinden hatten Glück und kannten einen Apostel oder einen Schüler persönlich. Manchmal bekamen auch Briefe von den Aposteln. So kommt es auch zu dem Brief mit dem Absender „Petrus“. Vermutlich lebte Petrus schon nicht mehr, sondern ein weniger bekannter Schüler bediente sich des großen Namens, damit man ihm größeren Glauben schenkte.


In den aufgeregten Zeiten der ersten Christen, schreibt der Verfasser ihnen, wo es lang geht und wie sie sich im Alltag, im Leben und in ihren Geschäften zu verhalten hätten: Dient einander.
Auf das Miteinander, das Füreinander, das Achten auf den Anderen, das war in den letzten Wochen der Corona Krise gefragt und das wird auch weiterhin gefragt sein. Wo brauchen andere unsere Hilfe, wo können wir mit den Schwachen solidarisch sein und uns für andere einsetzen, damit sie die momentane Situation besser bestehen? Vom Einkaufsdienst für die Älteren bis zum spontanen Singen und Musizieren im Garten des Seniorenzentrums gab es viele wunderbare Zeichen des Einsatzes füreinander.


Wo wir einander dienen, da dienen wir Gott und da geht es lang. Und das brauchen wir in Zeiten wie diesen. Zu wissen, dass Menschen füreinander einstehen mit den Gaben, die ihnen geschenkt und anvertraut sind. Wo wir das im Herzen tragen, da brauchen wir uns um die Zukunft keine Sorge zu machen.

 

Amen


1. Sonntag nach Ostern 2020

Predigt zum 1. Sonntag nach Ostern 2020 (Quasimodogeniti) – Johannes 20, 24-29

 

Liebe Gemeinde!

„Berühre mich – aber fass mich nicht an!". Das war vor kurzem auf der Titelseite einer christlichen Zeitschrift (Publik-Forum) zu lesen und als Überschrift eines Essays zur Coronakrise. Genial zusammengefasst: wir möchten und brauchen zur Zeit beides: Vorsicht und Rücksicht im Kontakt miteinander und doch zugleich auch innere Nähe und Verbundenheit. „Berühre mich – aber fass mich nicht an!“ Genau dieser doppelte Wunsch schwingt auffallenderweise auch in vielen Ostergeschichten mit, die wir in diesen Wochen nach Ostern aus der Bibel hören und bedenken.


Da ist Maria Magdalena, die den Leichnam Jesu sucht, zu seinem Grab geht und dann plötzlich vor Jesus, dem Auferstandenen, steht, den sie zuerst noch für den Gärtner hält. Als er sie dann aber bei ihrem Namen nennt, erkennt sie ihn und streckt die Hände nach ihm aus. „Rühre mich nicht an!“ ruft Jesus ihr zu, „denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater“. - Da sind die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus, die dem Auferstandenen begegnen, und ihn zuerst ebenfalls nicht erken-nen. Aber als er dann mit ihnen zu Tisch sitzt und das Brot bricht, bitten sie ihn: „Herr, bleibe bei uns!“ Doch „er verschwand vor ihnen“.


Und jetzt ist da Thomas, der nicht glauben kann, was die anderen ihm erzählen: „Wir haben den Herrn gesehen“. Nein, antwortet er ihnen: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich`s nicht glauben.“ Plötzlich steht Jesus, der Auferstandene, auch vor ihm und lädt ihn, seine Hand in seine Seite zu legen, damit er glauben kann, dass er es ist. Aber das braucht Thomas nun nicht mehr. Nicht mit seinen Händen, sondern mit dem Innersten seines Herzens versteht und glaubt er: Ja, Jesus lebt! Als er ans Kreuz geschlagen wurde, sind wir aus Angst geflohen. Aber sie haben ihn nicht wirklich töten können. Er lebt, ich kann seine Nähe spüren, seine Kraft, seine Liebe – so wie früher, nein, noch viel mehr und viel stärker!

Unsere Hände wollen berühren, wollen begreifen, wollen festhalten – von Kindesbeinen an; denn wir brauchen Nähe und Stütze unser Leben lang. Aber es gibt da auch eine Grenze: unsere Hände müssen es lernen, in bestimmten Situationen und zu einer bestimmten Zeit andere loszulassen und freizugeben, Abstand zu halten und zu warten – um anderen Freiheit und Freiraum zu geben, oder eben auch, um uns selbst und andere zu schützen in Gefahrenzeiten wie jetzt in der Coronakrise. Das kann wehtun, das fällt oft gar nicht leicht, aber wir erfahren dabei, wie wir auch auf andere Weise Nähe, Schutz und Stütze schenken und empfangen können.

Thomas hat wie die anderen Jünger  durch die Begegnung mit dem Auferstandenen erfahren: nun beginnt eine neue Zeit! Wie lange waren wir daran gewöhnt, dass er uns den Weg zeigte, dass er uns den Willen Gottes erklärte, dass er Menschen aus ihren Ängsten herausführte und ihre Verletzungen heilte. Wie wohltuend war für uns und für sie seine Berührung, seine Kraft, seine Liebe. Aber jetzt wächst diese Kraft und diese Liebe in uns selber, Er lässt sie in uns wachsen, Er lässt uns erwachsen werden, damit wir andere stärken und heilen können.

„Quasimodogeniti“ heißt dieser erste Sonntag nach Ostern; auf deutsch: „wie die neugeborenen Kinder“ - so sollen und dürfen wir sein durch das neue Leben in und mit Jesus Christus, dem Auferstandenen. Jetzt ist die Zeit für eine wunderbare Verwandlung, viele Auferstehungen, heilsame Begegnungen mit Ihm und mit unseren Mitmenschen! Wir werden gesucht und besucht von dem, der seinen Auferstehungsweg mit, in und durch uns weitergehen will. Eine neue Zeit ist da, mit und nach Corona, aber noch viel mehr: mit und nach Ostern. Auferstehung, Aufstehen für das Leben!

Pastor Oskar Greven, Soest-Enkesen


Konfirmation 2019

Nachstehnd haben wir für Sie die Predigt und den Konfirmandengruß des Presbyteriums zum Herunterladen bereitgestellt.

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Silvester 2018

Predigt zur Jahreslosung für 2019 (Psalm 34,15)

 

Liebe Gemeinde,


gute Vorsätze gehören zum Jahreswechsel wie Feuerwerk und Glockengeläut. Aber mal ehrlich - haben Sie schon gute Vorsätze für das neue Jahr. Ich habe mich gefragt, wo dieser Brauch seinen Ursprung hat. So ganz genau lässt sich das übrigens nicht sagen. Aber man geht davon aus, dass der Brauch, gute Vorsätze zu fassen, seinen Ursprung im Umfeld besonders strenger Protestanten, also bei  Calvinisten, Puritanern oder Pietisten gehabt hat. Zwei Wurzeln werden genannt: zum einen, dass die Menschen nach den ausgelassenen Feiern zu Weihnachten und zu Silvester wieder zu mehr Enthaltsamkeit ermahnt werden sollten. Die andere Wurzel entspringt der grundsätzlichen Angst vor der Sünde. Gute Vorsätze sollten davor bewahren, Opfer der eigenen Sündhaftigkeit zu werden.


Heute haben sich die guten Vorsätze weitgehend aus ihrem christlichen Ursprung verselbstständigt. Jahr für Jahr zählen zu den Top drei die Vorhaben: Weniger Stress. Mehr Zeit für die Familie. Gesünder leben. Ich bin froh, dass der Brauch der guten Vorsätze nicht mehr mit dem christlichen Glauben in Verbindung gebracht wird.  Denn was sagt uns das über unseren Glauben aus, wenn das Wichtigste für das neue Jahr die Mahnung zur Enthaltsamkeit und die Warnung vor der Sündhaftigkeit wäre. Da gruselt es mich. Da habe ich schon keine Lust mehr auf das neue Jahr.


Ein weiterer Brauch zum neuen Jahr sind die Jahreslosungen; es gibt sie seit 1930; immer ein Satz aus der Bibel. Mir sind sie eine wichtige Tradition geworden; ein Begleiter durch das Jahr. Meistens ein Wort der Ermutigung, des Zuspruchs. Deshalb war ich auch ein wenig erschrocken, als ich die Jahreslosung für 2019 zum ersten Mal gelesen habe. Es ist ein Vers aus dem Psalm 34 und er lautet: „Suche Frieden und jage ihm nach!“
Keine Ermahnung zur Enthaltsamkeit, keine Warnung vor der eigenen Sündhaftigkeit, aber auch – zumindest beim ersten Lesen oder Hören – kein Wort der Ermutigung oder des Zuspruchs. Sondern eine Aufforderung, bei der sich vielleicht auch ein Gefühl der Überforderung einstellen kann. Möchte ich darüber wirklich heute Abend predigen, habe ich mich gefragt? Da mir die Jahreslosungen wichtig sind, habe ich mich auf einen Verstehensweg gemacht  und  möchte Sie nun einladen, diesen Verstehensweg mit mir nachzugehen, wohl wissend, dass Sie bei den Worten der Jahreslosung – „Suche Frieden und jage ihm nach!“ – andere Empfindungen und Gedanken haben könnten als ich.


Der Psalm 34 ist ein Psalm Davids, ein großer Lobgesang auf Gottes Güte und Gnade, auf seine Begleitung und seinen Schutz. David, das erfahren wir aus Vers 1, hat den Psalm auf der Flucht vor König Saul geschrieben, der ihm – wahnsinnig geworden – nach dem Leben trachtet. In höchster Lebensgefahr, nur noch von wenigen Getreuen begleitet, singt David voller Vertrauen. Dieses Vertrauen ist auch das Fundament für den Vers 15: „Suche Frieden und jage ihm nach!“ Die Suche nach Frieden geht nur aus dem Vertrauen auf Gott. Weil ich ihn bei meiner Friedenssuche an meiner Seite weiß, und wenn dem so ist, dann ist die Jahreslosung auch keine Überforderung.


Schauen wir etwas genauer auf den kurzen Vers. Er beinhaltet zwei Aufforderungen. Erstens, den Frieden zu suchen. Das Verb „suchen“ weckt bei mir unterschiedliche Assoziationen. Es steht da nicht „Schaffe den Frieden“, sondern ich soll ihn suchen. Das erinnert mich an Jesu Wort aus der Bergpredigt: „Wer da sucht, der findet“ (Matthäus 7,8) – der Frieden ist also schon da, ich muss ihn nur finden. In der Regel haben wir einen anderen Blick auf die Wirklichkeit: dass wir nämlich eher in friedlosen Zeiten leben, in denen der Friede nicht da ist. Doch möchte ich den Gedanken, dass der Frieden schon da ist, im Hinterkopf behalten. Das zweite Verb der Jahreslosung „nachjagen“ es kommt meinem Empfinden schon eher entgegen. Der Frieden ist ein flüchtiges Etwas; kaum ist er einmal da, ist er auch schon wieder weg, und ich muss ihm nachjagen. Frieden ist nichts von Dauer, das wissen wir alle.


Und denke ich intensiver über die Jahreslosung nach, drängt sich eine weitere Frage auf: Von welchem Frieden ist hier die Rede?  Der globale Frieden, der Frieden zwischen den Völkern,  die Beendigung von Gewalt und Krieg. Ich frage mich, wie hätten Menschen vor 100 Jahren – also 1918 eine solche Jahreslosung gehört und empfunden „Suche Frieden“ – das beinhaltet noch viele andere Themen, der Frieden zwischen Nationen und Religionen. Der Frieden innerhalb der Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Gruppen. Der Frieden zwischen den Konfessionen. zwischen den Generationen und den Geschlechtern. Der Frieden zwischen Arm und Reich. Der Frieden mit der Schöpfung. Alle diese Themen brauchen unser Engagement und unser Gebet. Und allzu oft machen Menschen dabei die Erfahrung des Misserfolgs. Die Erfahrung, doch nichts ausrichten zu können. So schwer es manchmal sein mag, darf aber die Antwort auf diese Erfahrungen des Scheiterns nicht Resignation sein, sondern: „Mehr Engagement, mehr Gebet.“ Von einem Frieden habe ich bisher nicht gesprochen, dabei ist er mir der wichtigste. Weil er die Grundlage für jeden Frieden ist: der Friede mit mir selbst. Den wünsche ich Ihnen für das neue Jahr von Herzen: Frieden mit sich selbst. Weil er friedlicher macht in der Familie, friedlicher am Arbeitsplatz, und im Freundeskreis und in der Nachbarschaft. Weil ich mich im Frieden mit mir selbst leidenschaftlicher einsetzen kann für den Frieden in der Gesellschaft, mit der Schöpfung, weltweit. Weil ich im Frieden mit mir selbst leidenschaftlicher bete. Im Frieden mit mir – kreise ich nicht ständig um mich selbst, bin ich nicht der Mittelpunkt, sondern offen und sensibel für Gott und den Nächsten. Frieden mit mir selbst – ein wichtiges Ziel. Wie suche ich ihn, wie jage ich ihm nach? Darauf gibt es keine Patent -antwort. Ich möchte Ihnen meine Antwort sagen: Liebe. Keine sehr originelle Antwort, auch nicht sehr konkret. Ich meine eine bestimmte Form der Liebe: Zu lieben bedeutet für mich, dass alles gut ist, so, wie es ist; dass ich Ja sagen kann, wie es ist. Ich sage Ja zu mir, so, wie ich bin, und unterwerfe mich nicht den guten Vorsätzen der Selbstoptimierung. Ich sage Ja zu meiner Beziehung und jage keinen Trugbildern des Traumpartners und der idealen Beziehung nach. Ich sage Ja zu meiner Arbeit mit allen Höhen und Tiefen und quäle mich nicht mit den Vorstellungen einer Mustergemeinde. Ich liebe mich, ich liebe meine Beziehung, ich liebe meinen Partner, ich liebe meine Gemeinde. Das ist ein Weg zum Frieden mit sich selbst. Dabei weiß ich sehr genau, dass eine Liebe, die alles gut findet, wie es ist, eine Gratwanderung ist. Denn es gibt Dinge, die nicht gut sind, wie sie sind. Die ich nicht hinnehmen darf – sei es bei mir selbst, bei meiner Arbeit oder weltweit. Doch ich vertraue darauf, dass jede und jeder Einzelne ein gutes Gespür dafür hat, was nicht hinnehmbar ist – und entsprechend handelt. Das Fundament aber ist die Liebe, die Ja sagt.


Eins fehlt noch zum Frieden mit mir selbst, und vielleicht haben Sie diesen Aspekt auch schon vermisst: der Frieden mit Gott. Dabei mag ich davon nicht reden, weil es vermessen ist. Ich kann keinen Frieden mit Gott schaffen, ich kann ihn nicht suchen und ich kann ihm nicht nachjagen. Ich begegne Gott nicht auf der Augenhöhe von Partnern, die untereinander Frieden aushandeln. Den Frieden Gotte, den kann ich mir nur schenken lassen. Die ersten Worte, die der Auferstandene zu den Jüngern sagt, lauten: „Friede sei mit euch.“ Sagt Ja zu dem, was ist. Sagt Ja zum Leben, das den Tod überwunden hat. Dann findet ihr Frieden mit euch selbst und untereinander. Komme, was wolle. Das hat Jesus uns schon in seinen Abschiedsreden versprochen: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.“ (Johannes 14,27)


Frieden bleibt bei allen eigenen Versuchen und Anstrengungen ein Geschenk Gottes. Ich darf darum beten und darf ihn annehmen. Deshalb braucht es auch keine guten Vorsätze und keinen neuen Anfang am Beginn des neuen Jahres. Es braucht Glauben, wie ihn Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) formuliert hat. Mit seinen mich persönlich entlastenden und tröstenden Worten möchte ich enden: „Einen neuen Anfang macht allein Gott mit den Menschen, wenn es ihmgefällt, aber nicht der Mensch mit Gott. Einen neuen Anfang kann der Mensch darum überhaupt nicht machen, sondern er kann nur darum beten.“

 

Amen

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Predigt zu Silvester 2018
Predigt zu Silvester 2018_Psalm 34,15, J
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Ostern 2018

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Predigt zu Karfreitag 2018
Predigt zum Karfreitag 2018_Marktkirche
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Predigt zum Ostersonntag 2018
Predigt zum Ostersonntag 2018_Marktkirch
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Heiliger Abend 2016

Predigt zu Jesaja 9, 5-6

Liebe Gemeinde!


Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth. (Jesaja 9,1-6)

 

1. Gott drückt Dir heute Abend sein Kind in die Arme. Einfach so. Und ohne dich zu fragen. Du hattest gar keine Chance, dich dagegen zu wehren. Und nun ist es da.
Du schaust es an und Du weißt gar nicht so richtig, was Du damit anfangen sollst.
Es ist Dir wehrlos ausgeliefert. Wehrt sich nicht gegen deine Zärtlichkeit. Duldet es, dass Du es verhätschelst und verkitschst und ganz harmlos machst. Und – dass Du es sogar oft vergisst.
Du hast eigentlich gar keine Zeit für dieses Kind. Deine Wohnung ist nicht aufgeräumt. Die Karte an die Patentante noch nicht geschrieben. Der Streit mit dem Chef geht Dir noch nach. Und überhaupt: Du hast viel zu viel mit Dir zu tun. Was soll da dieses Kind?
Aber Gott hat es Dir heute Abend in Deine Arme gelegt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter.

 

2. Gott drückt Dir heute Abend sein Kind in die Arme.
In die Arme, die so gerne umarmen. Die Du hängen lässt, wenn Du nicht mehr kannst. Und die Du zeigst, wenn Du die Ärmel hochkrempelst.
Gott drückt Dir sein Kind in Arme.
In die Arme, die im Pflegeheim eine Greisin aufrecht setzen, damit sie den Weihnachtsbaum im Gang sehen kann. In Arme, die voll bepackt sind mit Geschenken für die Nichten und Neffen. Aber auch in Arme, derer die nicht wissen wohin mit sich, weil da keiner ist, den sie umarmen können.
Gott drückt Dir sein Kind in Arme, die verschränkt sind und nichts mit ihm zu tun haben wollen. Gott drückt Dir sein Kind in die Arme, in die Arme, die am vergangenen Montagabend in Berlin auf dem Weihnachtsmarkt um Hilfe geschrien haben, als Menschen wehrlos einem fantischen Mörder zum Opfer fielen. Gott drückt Dir sein Kind in die Arme, in die Arme derer, die die Fäuste geballt haben vor lauter Wut über das, was da in Berlin geschah.
Gott drückt sein Kind in die Arme der Welt.
In die Arme einer Welt, wo Kinder keinen Platz haben. Wo sie still sein müssen und unauffällig  und wo die Karrierepläne schon in der Wiege liegen und alles perfekt geplant ist.
In eine Welt, in der die Kinder zwischen den Trümmern in Aleppo spielen. Sie haben sich daran gewöhnt - auch an die traurigen Gesichter der Eltern und Großeltern.
Oder sie warten mit ihrer kleinen Schwester am Grenzzaun von Griechenland. Sie klammern sich an die wackeligen Ränder vom Booten, die sie über das Mittelmeer in Sicherheit bringen sollten.
Gott legt sein Kind in die Trümmer von Aleppo, in das Flüchtlingslager in Griechenland und in das Boot auf den Wellen des Mittelmeeres.
Gott legt sein Kind in die Betten der Kliniken in Berlin, wo jetzt Menschen um ihr Leben kämpfen, da sie doch eigentlich nur einen schönen Abend auf dem Weihnachtsmarkt verbringen wollten. Gott macht keinen Unterschied. Sein Kind gehört überall hin. Und auch dorthin, wo es nicht hingehört.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter.

 

3. Ja, liebe Gemeinde, dieses Kind passt nicht in diese Welt. Es hat noch nie da hineingepasst. Nicht zu Jesajas Zeiten. Nicht zu Marias Zeiten und zu Josefs auch nicht.
Und dieses Kind – es trägt fremde Namen, die so gar nicht zu ihm passen. Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. – ein Hoffnungsträger, das die Sehnsucht gar nicht tragen kann.
Namen einer Welt, die keine Chance bei uns hat. Denn dies Kind  ist kein Held des Krieges, kein Triumphator, kein Reiter auf hohem Ross mit Pauken und Trompeten, sondern Friedensbringer.
Einer, der auf dem Esel kommt. Der mit seiner Familie sogar fliehen muss ins ägyptische Exil. Und letztlich -  nackt und bloß am Kreuz stirbt. Gott selbst. Das Gotteskind.
Und gerade weil es nicht in diese Welt passt, kommt es in diese Welt.

 

4. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter.
Gott drückt Dir  heute Abend sein Kind in die Arme.
So verletzlich – und nur so kommt es in Dein Herz.
Und Du weißt es: Auf dieses Kleine kommt es an.
Auf das Kleine in dir. Auf das Zarte. Auf das, was dich angreifbar macht.
Du musst nicht mehr den Starken spielen.
Du musst keine Waffen tragen.
Du brauchst keine Rolle mehr zu spielen.
Du kannst einfach nur das Gotteskind sein. Mit der ganzen Liebe, die da ist und die zu Dir kommt.
Und weil dieses Gotteskind in Deinen Armen, in Deinem Herzen, nicht in diese Welt passt, kannst Du diese Welt nicht lassen, wie sie ist.
Da darf es keine Bombentrümmer geben, und keine ertrinkenden Flüchtlinge. Da darf keiner in ein Kriegsland abgeschoben werden. Und keiner an den Karriereplänen seiner Eltern zerbrechen. Und den Hass, den einige wenige in unserem Land säen wollen, auf den brauchst Du nicht mit Hass und Gewalt zu antworten.

 

5. Gott drückt Dir sein Kind in deine Arme und Du weißt dann doch, was du machen sollst.
Ob Dein Wohnzimmer aufgeräumt ist oder nicht – egal!
Du machst Dich auf den Weg zur mürrischen Nachbarin und schenkst ihr eine Blume. Vielleicht bleibt sie mürrisch. Vielleicht aber wird sie lächeln.
Oder Du überlegst Dir, wen Du noch heute zum Essen einlädst. Oder wenigstens anrufst. Und dann tust Du es.
Und weil das Gotteskind in Deinen Armen ist, machst Du nicht mit, wenn immer und immer wieder die Angst geschürt wird vor den Fremden. Eher nimmst du allen Heldenmut zusammen und sagst laut, dass die Hilfe für Fremde und Notleidende kein Luxusgut ist, das wir uns nur gönnen, wenn wir es uns leisten können. Du sagst es laut, aber mit Liebe.
Das Kind in deinen Armen lässt nicht zu, dass Menschen, die Hilfe brauchen, gegenseitig ausgespielt werden.
Es lässt Dich weinen, wenn du die Bilder aus Syrien siehst, und es sind Tränen der Liebe.
Und es lässt nicht zu, dass Du andere wegen ihres Glaubens verachtest. Denn es sind Gotteskinder - wie Du!
Du merkst, dass dieses Kind in deinen Armen überhaupt nicht harmlos ist.
Es verändert dich. Es wird die Mächtigen vom Thron stoßen und die Niedrigen erheben.
Es wird daran zerbrechen. Verglühen. Und doch leben. Mit dir und für dich. Und für diese Welt, in die es nicht hineinpasst und doch hineingehört. Wie kein anderes Kind der Welt.

 

6. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter. (Jesaja 9,5a)
Gott drückt dir heute Abend sein Kind in die Arme.
Du schaust es an und es nimmt dich ein. Voll und ganz und mit Haut und Haaren. Dich, du Gotteskind. Mit Licht im Herzen. Es verändert dich. Du öffnest deine Arme. Und du veränderst die Welt. Mit diesem Kind.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende.

 

Amen


Werner Zupp, Pfarrer

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Predigt am Heiligen Abend 2016 in der Marktkirche Neuwied
Predigt am Heiligen Abend 2016_Marktkirc
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