Zu den vielen Krippenspielen landauf und landab die Kinder und bisweilen auch Erwachsene am Heiligabend aufführen, gehört in den meisten Fällen auch die Wirtshausszene. Es ist der Moment, wo
Maria und Josef in Bethlehem angekommen, an verschiedene Türen anklopfen, um eine Unterkunft für die Nacht zu erbitten und das für eine schwangere Frau.
Ganz egal wie wir am Heiligabend die Geschichte von Bethlehem in unseren Gottesdiensten aufführen, das Öffnen der Türen, das Öffnen der Herzen ist der Kern der Geschichte. „Brich mit den
Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus“. Maria und Josef erfahren das in Bethlehem Und die Kinder und wir Erwachsenen sollen es alle Jahre wieder lernen.
Es ist Advent. Und wir haben das Brotgeben organisiert durch „Brot für die Welt“, durch die Kindernothilfe oder auch durch die Einladung zum essen an Heiligabend für Alleinstehende und
Obdachlose
Wir tun eine Menge und jeder dieser Spenden zählt. Und jede Tat verändert die Welt ein Stück. Viele von uns engagieren sich für Menschen, die eine Flucht hinter sich haben. Die meisten von uns
haben die Geschichte von Bethlehem und die Wirtshausszene in ihrer Kindheit gesehen. Und trotzdem bleiben unsere Türen und Herzen oft genug verschlossen.
Es ist Advent im Jahr der Corona Krise. Hat dies was verändert, außer allem was wir überlegen und bedenken, neu organisieren zu müssen in diesem Jahr.
Ich glaube schon, denn die Corona Krise hat uns gezeigt, was in unserer Gesellschaft alles möglich ist. Welche Regeln plötzlich außer Kraft gesetzt und welche Dinge auf den Weg gebracht werden
können, wenn ein gesellschaftlicher Konsens und ein politischer Wille dazu da sind. Wir haben erlebt, dass unsere Möglichkeiten groß sind.
Vielleicht ist unser Herz bisweilen endlich, begrenzt und ein wenig eng. „Entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!“ Lass es dich angehen, wie es anderen Menschen in der Not geht. Die Sätze des
Jesaja sind groß. Ob wir das erkennen und auch leben? Wir können ein Schiff schicken. Es ist gut, dass unsere Kirche dies getan hat. Aber wir können noch viel mehr.
Werner Zupp, Pfarrer
Ohne Zweifel. Diese Adventszeit, dieses Weihnachten wird anders werden. Anders als wir es wohl je erlebt haben.
Es wird eine Adventszeit ohne Weihnachtsmärkte, Treffen an Glühweinständen, Betriebsweihnachtsfeiern, ohne große Familienfeste, ohne volle Gottesdienste an Heiligabend, vielleicht auch ohne die
übliche Hektik beim Geschenkekaufen. Es wird wohl eine ruhigere Zeit mit weniger Stress und Hektik, für manche wird es eine einsame, eine schwierige Zeit. Sozial Schwache, ältere Menschen aber
auch viele Beschäftigte, der Einzelhandel, Künstler und Gastronomen stehen vor großen Herausforderungen. Gut, dass es auch in diesen Zeiten Ehrenamtliche gibt, die Menschen, die von dieser Krise
besonders betroffen sind wie beispielsweise Obdachlose, die unter der coronabedingten Schließung der Suppenküchen leiden, in bewundernswerterweise helfen. Gut, dass unser Land viel finanzielle
Unterstützung leistet, natürlich könnte es immer noch ein wenig mehr sein. Auch wir können unseren kleinen Beitrag leisten und uns solidarisch mit den Betroffenen zeigen, in dem wir zum Beispiel
- falls es uns möglich ist - den Außerhausverkauf der Gastronomie unterstützen und damit deren Existenz sichern. Oder indem wir uns an der Spendenaktion von "Brot für die Welt" beteiligen, die in
diesem Advent unter dem Motto "Kindern Zukunft schenken" steht und damit die stark von der Coronakrise betroffenen Kinder in den armen Regionen unserer Welt unterstützen will.
Und doch, bei allem Schrecken, Angst und Sorge, die diese Zeit für uns mit sich bringt, können gerade wir Christinnen und Christen sie vielleicht auch als Chance begreifen. Dass wir uns mehr denn
je auf das Wesentliche der Adventszeit und die Weihnachtszeit freuen können: auf das Kommen und die Geburt desjenigen, der uns erlöst hat und Dank dessen wir auf Auferstehung nach dem Tod hoffen
können. Vielleicht bekommen wir gerade in den nächsten Wochen mehr von dem Ursprünglichen dieser eigentlich wunderbaren, fast mystischen Zeit zu spüren.
Ich bin jedenfalls fest dazu entschlossen, mich nicht von der Angst überwinden zu lassen, ich nutze die Einschränkungen auch für mehr innere Einkehr, mehr Besinnlichkeit, mehr Nachdenken, über
das was wirklich wichtig ist. Und ich lerne gerade von meiner 90-jährigen Mutter, welche Freude man auch in dieser Zeit an den kleinen, eigentlich völlig belanglosen Dingen des Alltags haben und
teilen kann: die adventlichen Lichter an den Fenstern, die munteren Vögel am Futtterhäuschen, die Christrose auf dem Balkon, der Gang an den Rhein, der Gottesdienst, ja auch das Läuten der
Glocken unserer Kirche, die Andacht im Kirchhof mit dem ökumenischen Bläserkreis und alleine das bloße Beisammensein erfüllen sie mit einem Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit, das ansteckend
ist. Mit einer solchen postiven Einstellung kann man vielleicht auch die vielen Unannehmlichkeiten leichter ertragen, die diese Zeit mit sich bringt. Ich wünsche uns allen, dass wir mehr die
kleinen Freuden des Alltags schätzen lernen; ich für meinen Teil arbeite jedenfalls daran.
Deshalb freue ich mich auch, dass wir als Marktkirche ein wunderbares Alternativprogramm für die Advents- und Weihnachtszeit mit den Andachten an den Sonntagen und den Gottesdiensten an
Weihnachten entwickelt haben. Ich empfinde alle diese Veranstaltungen dabei nicht als bloßen Ersatz für nicht mehr Machbares sondern als echten Gewinn für mehr Advent im Advent. Hier sei
insbesondere unserem Pfarrer Werner Zupp gedankt, der mit seinem Elan und seinem nicht unterzukriegenden Optimismus ganz maßgeblich hierzu beigetragen hat. Und es gibt noch etwas Besonderes:
Unter dem Thema "Da machte sich auf" feiern wir diesen Heiligabend ökumenisch mit verschiedenen christlichen Innenstadtgemeinden zusammen. Ein starkes Zeichen für Gemeinsamkeit und Zusammenhalt,
das wir uns auch nach Corona bewahren sollten.
Lassen Sie uns diese vielleicht schönste, jedenfalls aber besinnlichste Zeit des Jahres deshalb nicht nur mit berechtigter Sorge sondern auch mit der Zuversicht, dass wir die Krise überwinden
werden, begehen. Und wer weiß, vielleicht werden wir etwas von der Besinnlichkeit dieser ungwöhnlichen Advents- und Weihnachtszeit in die nächste Jahre hinüberretten können, ganz freiwiliig und
ohne staatliche Anordnung. Dann hätte selbst diese Zeit noch etwas Gutes.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gesegnete, friedliche und besinnliche Adventszeit. Bleiben oder werden Sie gesund und seien Sie behütet.
Herzlichst grüßt
Christian Schultze
Ev. Kirchengemeinde Neuwied
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