Gegendarstellung zum Artikel „Neuwieder Christen fordern ‚Sicheren Hafen‘“

in der Rhein-Zeitung vom 29. März 2021

 

Im Artikel „Neuwieder Christen fordern ‚Sicheren Hafen‘“ in der Rhein-Zeitung vom 29. März 2021 wird das Zitat von Superintendent Detlef Kowalski „Für sie kommt der Antrag wohl von der falschen Seite.“ von Ulf Steffenfauseweh fälschlicherweise so in einen Zusammenhang mit dem vorherigen Satz gestellt, dass damit der Eindruck erweckt wird, das Presbyterium der Marktkirchengemeinde stehe irgendeiner politischen Gruppierung nahe. Das Presbyterium verwahrt sich gegen diese Darstellung und stellt fest, dass es parteipolitisch neutral ist und bleibt. Es wird sich auch nicht von politischen Parteien und Gruppierungen instrumentalisieren lassen.

 

Ferner sieht das Presbyterium der Marktkirche in der Flüchtlingspolitik der Vergangenheit kein generelles Politikversagen, wie dies der Antrag suggeriert. Vielmehr unterstützt es die Öffnung Deutschlands durch die Bundesregierung für Millionen geflüchteter Menschen im Jahr 2016 und die auch danach weiterhin erfolgte Aufnahme von Flüchtlingen.

 

Auch weist das Presbyterium ausdrücklich auf die vielfältige und umfangreiche Flüchtlingsarbeit in der Stadt Neuwied hin, die u. a. durch die Kirchengemeinden geleistet wurde und wird und stellt fest, dass aus seiner Sicht Neuwied bereits ein sicherer Hafen für Flüchtlinge ist.

 

Das Presbyterium der Marktkirche begrüßt, dass der Türkei seitens der EU Milliarden EURO zur Bewältigung der syrischen Flüchtlingskrise zur Verfügung gestellt werden. Laut Medienberichten scheint dieses Geld auch tatsächlich bei den Menschen anzukommen und ihnen ganz konkret ein Leben in Würde zu ermöglichen. Das Presbyterium der Marktkirche fordert die politisch Verantwortlichen in Deutschland und der EU auf, diese Unterstützung fortzusetzen.

 

Das Presbyterium der Marktkirche hält es für falsch, mit einer typischen westlich-arroganten Sichtweise Länder wie Griechenland und Bosnien-Herzegowina einseitig an den Pranger zu stellen, wie dies der Antrag macht. Diese wirtschaftlich nicht starken Länder tragen eine Hauptlast bei der Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen in Richtung Westen. Das Presbyterium verurteilt jedoch aufs Schärfste die an der Grenze von Bosnien nach Kroatien zum Teil mit brutaler Gewalt durchgeführten Push-Backs.

 

Das Presbyterium der Marktkirche fordert die Unterbringung geflüchteter Menschen an den Außengrenzen der EU und auch innerhalb der EU unter menschenwürdigen Bedingungen, d. h. festen Unterkünften, einer sozialen und medizinischen Betreuung. Dies haben die EU und auch Deutschland mit den betroffenen Ländern sicherzustellen. Die derzeitige Situation ist nicht hinnehmbar und menschenunwürdig, auch wenn Flüchtlinge in einem Lager selbst die bisherigen, absolut unzureichenden Zeltunterkünfte angezündet und vernichtet haben.

 

Das Presbyterium der Marktkirche hält es für richtig, den Aufenthaltsstatus der geflüchteten Menschen an den Außengrenzen zeitnah zu klären und eine Verteilung in der EU vorzunehmen, damit der Aufenthalt in den Lagern so kurz wie möglich ist. Das Presbyterium der Marktkirche glaubt aber nicht, dass mit Erklärungen der vorliegenden Art den Menschen tatsächlich effektiv geholfen werden kann. Derartige Beschlüsse suggerieren, dass deutsche Kommunen in der Lage sind, letztlich unbegrenzt geflüchtete Menschen aufnehmen zu können. Sie können damit falsche Erwartungen bei Menschen wecken, die in großer Not und Elend leben und die sich verständlicherweise ein besseres Leben in Europa erhoffen. Hierbei handelt es sich um viele Millionen Menschen, deren Aufnahme deutsche Kommunen nicht garantieren können ja überfordern würden. Dieses würde den gesellschaftlichen Konsens in unserem Land erheblich beeinträchtigen mit möglicherweise fatalen politischen Folgen. Das Presbyterium der Marktkirche hält es aus christlicher Sicht für falsch, Menschen eine Hoffnung zu machen, die nicht erfüllbar sein wird.

 

Das Presbyterium der Marktkirche setzt sich für eine konsequente und umfassende Seenotrettung geflüchteter Menschen ein und unterstützt ausdrücklich die diesbezüglichen Bemühungen der EKD. Ob der in dem RZ-Artikel gewählte Begriff von „ersaufenden Menschen“ dieser dramatischen Situation tatsächlich gerecht wird oder die Flüchtlinge damit sprachlich eher abgewertet werden, ist aus Sicht des Presbyteriums der Marktkirche zumindest zweifelhaft.

 

Da jedoch auch bei größten Bemühungen um Seenotrettung die Flucht über das Meer eine gefährliche, oft tödliche Gefahr für die Flüchtlinge bleiben wird, sollte ein wichtiges Anliegen sein, Umstände zu schaffen, dass Menschen sich gar nicht erst auf diesen Weg begeben in der falschen Illusion, auf jeden Fall gerettet zu werden. Das Presbyterium der Marktkirche setzt sich deshalb dafür ein, Menschen vor Ort in ihren Ländern zu helfen, z. B. durch die Unterstützung eines fairen Handelssystems.

 

Das Presbyterium der Marktkirche lehnt eine Zusammenarbeit mit in Teilen extremistischen Gruppierungen ab, die ein ungeklärtes Verhältnis zu politischen Systemen haben, die selber Fluchtursachen erzeugen.

 

Das Presbyterium der Marktkirche wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Flüchtlinge im Rahmen des geltenden Rechts in Neuwied einen sichereren Raum und Schutz finden werden. Dafür stellt das Presbyterium der Marktkirche auch weiterhin Wohnraum zur Verfügung und unterstützt geflüchtete Menschen aktiv, um in unserer Stadt heimisch zu werden. Das Presbyterium der Marktkirche fordert alle Kirchengemeinden und auch die Parteien auf, diesem Beispiel zu folgen. Die effektive und konkrete Hilfe für Menschen hält das Presbyterium der Marktkirche für sinnvoller als mit Worten und Resolutionen ohne große Wirkung oder sogar mit negativen Auswirkungen letztlich hilflos zu agieren.

 

Das Presbyterium der Ev. Kirchengemeinde Neuwied – Marktkirche

 

29.03.2021